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Fest Petrus und Paulus, 29.6.2025 – Vogelsburg

Petrus und Paulus - die Kirche lebt aus dieser Verschiedenheit und aus der Vielfalt!

„Vielleicht ist es im Blick auf die Zukunft der Kirche gar nicht so entscheidend, ob sie einen mehr konservativen oder mehr progressiven Weg einschlägt, sondern ob Christen heute sich ernsthaft für ihren Glauben engagieren. Petrus und Paulus waren keineswegs immer einer Meinung, aber darin waren sie sich einig: Sie waren mit ganzem Herzen bei Christus und haben dafür in der Christenverfolgung unter Kaiser Nero sogar Kopf und Kragen riskiert. Bei aller Verschiedenheit war ihr Leben geprägt von der Entschiedenheit für Christus“, sagte Domkapitular Clemens Bieber bei der morgendlichen Messfeier am Fest Petrus und Paulus auf der Vogelsburg.

Die Predigt im Wortlaut:

„Salz der Erde“, so lautet der Titel eines viel beachteten Buches von Kardinal Ratzinger, das Ende der 1990er-Jahre erschien. In diesem Buch stellte sich der – unbestritten – kluge Theologe wesentlichen Fragen – sowohl aktuellen Problemen der Christenheit als auch zur Zukunft der Kirche. Die vielfach kritischen Fragen stellte ihm der frühere SPIEGEL-Redakteur und STERN-Reporter Peter Seewald.

Seewald war in Niederbayern aufgewachsen und kirchlich sozialisiert, hatte sich aber im Kontext der 68er-Bewegung mehr und mehr von der Kirche entfernt und war Anfang der 70er-Jahre sogar aus der Kirche ausgetreten. Trotzdem widmete er sich weiterhin auch religiösen Themen. Das ausführliche Interview mit Joseph Ratzinger im genannten Buch löste bei ihm eine Rückbesinnung auf seine christlichen Wurzeln aus und führte ihn schließlich zum Wiedereintritt in die katholische Kirche.

Im Vorwort zu „Salz der Erde“ erzählt Seewald von einer ihn sehr beeindruckenden Antwort des damaligen Präfekten der Glaubenskongregation: „Einmal fragte ich ihn, wie viele Wege zu Gott es denn insgesamt gäbe. Ich wusste wirklich nicht, was er antworten würde. Er hätte sagen können: einen einzigen; oder: mehrere. Der Kardinal brauchte nicht lange für seine Antwort: So viele, sagte er, wie es Menschen gibt.“

Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt! Heute feiern wir zwei ganz unterschiedliche Menschen, die auf je andere Art und Weise ihren Weg mit Gott gegangen sind. Und beide waren und sind wichtig geworden für die Kirche, für ihre Sendung und für ihre Entwicklung. Ich möchte sogar sagen: Sie sind ganz wichtig für den Bestand der Kirche!

Da ist zum einen Petrus – mit ursprünglichem Namen Simon. Er war ein Kind vom Lande, ein hemdsärmeliger Fischer am See Genezareth. Manches in seinem Leben „roch“ nicht so arg nach Heiligkeit: Petrus war impulsiv. Er kündigte an, Christus bis in den Tod folgen zu wollen. Er griff zum Schwert, als man Jesus gefangen nimmt; er preschte gerne nach vorne, als erster legte er das Glaubensbekenntnis ab auf Jesus, SEIN Sohn-Sein und SEINE Sendung.
Aber er war auch labil. Das abgelegte Treueversprechen hielt nicht lange. Als es brenzlig wurde, machte er sich aus dem Staub und verriet sogar Jesus in dessen schwerster Stunde mit den Worten: „Ich kenne diesen Menschen nicht!“ Da war sicher viel guter Wille, aber auch viel menschliche Schwäche an diesem ersten Papst zu sehen. Und ausgerechnet zu diesem labilen, unsicheren Menschen sagte Christus: „Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“ Also dem, auf den man eigentlich nicht bauen kann, wird die Aufgabe übertragen, der Kirche Beständigkeit zu vermitteln.

Werfen wir einen Blick auf Paulus: Er stammte aus Tarsus, einer Stadt an der Mittelmeerküste im Gebiet der heutigen Türkei. Er war eher klein von Gestalt, mit dünner Kopfbehaarung, aber offenbar voller Charme. Ursprünglich hieß er Saulus, hatte nicht nur den Beruf des Zeltmachers gelernt, sondern auch jüdische Theologie bei einem Rabbi studiert. Er war gläubiger Jude und zugleich römischer Bürger. Er war intelligent, kein Gefühls-, sondern wohl eher ein Willensmensch und war als leidenschaftlicher, ja fanatischer Christenhasser bekannt. Aber gerade ihn holte Christus vor Damaskus von seinem hohen Ross herunter und machte ihn so zum Völkerapostel und großen Missionar.

Da drängt sich die Frage auf: Was sind das für abenteuerliche Entscheidungen:

  • Den Wankelmütigen bestellte er, damit er seiner Kirche Halt und Beständigkeit verleiht,
  • und den Fanatischen, damit Dynamik und Entwicklung in ihr möglich werden. 

Alles in allem doch eine denkbar gewagte Personalplanung. Dazu kommt, dass Petrus und Paulus keineswegs gut zusammenpassten! Die heftigen Auseinandersetzungen sind bekannt, als es um die Frage der Mission und der Gesetzesvorschriften für neue Christen ging. Gerade bei dieser Frage stand viel auf dem Spiel, nämlich: Soll die Kirche jüdische Sekte werden oder Weltkirche? In dieser Frage hat sich Paulus gegen Petrus durchgesetzt, und die Entwicklung der Kirche gab ihm Recht.

Durch alle Jahrhunderte hindurch hat es in unserer Kirche Spannung gegeben – bis in unsere Tage hinein. Immer wieder geraten die Verteidiger des Bestehenden und die Vorkämpfer für Weiterentwicklung aneinander. Die Spannung zwischen Beständigkeit und Fortschritt überschattet derzeit die Kirche gerade in unserem Land bis hinein in unsere Gemeinden. Wenn wir die vielfach in die Öffentlichkeit getragenen Dispute erleben, wünschen wir uns insbesondere den gegenseitigen Respekt und die Wertschätzung – eben auch für die gegenteilige Meinung, die andere Haltung. Denn würde die eine Gruppe fehlen, wäre unsere Kirche nicht die Kirche Jesu. Sie würde verkommen zu einem Haufen „Museumswärter“ bzw. Reaktionärer oder zum einem Haufen revolutionärer Chaoten.

Unsere Kirche braucht beide Typen:

  • den Petrus, dem der Zusammenhalt im Glauben am Herzen liegt,
  • und den Paulus, der sich nicht ängstlich verschanzt oder nur mit sich selbst beschäftigt, sondern auch neue Schritte wagt und heiklen Fragen der Glaubens- und Lebenspraxis nicht ausweicht.

Wie damals tun sich auch heute viele Fragen nach dem Weg der Kirche auf. Denken wir nur an die Diskussionen um Reformen in der Kirche, den synodalen Weg, die Verteilung von Verantwortung zwischen Amtsträgern und sogenannten Laien. Es braucht den offenen, ehrlichen Diskurs. Immer mehr Menschen treten aus der Kirche aus. Das Vertrauen in die Institution Kirche sinkt rapide. Junge Menschen finden keinen Bezug zur Kirche. 

Die Herausforderung unserer Tage an die Kirche und alle, die sich mit ihr identifizieren, ist, auf dem Boden der Frohen Botschaft Jesu, entsprechend seiner Sendung und in der gewachsenen Haltung nach glaubwürdigen und tragfähigen Antworten auf die Fragen unserer Zeit zu suchen und dabei die Lebenswirklichkeit im Blick zu haben. Vielleicht ist es im Blick auf die Zukunft der Kirche gar nicht so entscheidend, ob sie einen mehr konservativen oder mehr progressiven Weg einschlägt, sondern ob Christen heute sich ernsthaft für ihren Glauben engagieren. Petrus und Paulus waren keineswegs immer einer Meinung, aber darin waren sie sich einig: Sie waren mit ganzem Herzen bei Christus und haben dafür in der Christenverfolgung unter Kaiser Nero sogar Kopf und Kragen riskiert. Bei aller Verschiedenheit war ihr Leben geprägt von der Entschiedenheit für Christus.

„Es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt. Denn auch innerhalb des gleichen Glaubens ist der Weg eines Menschen ein ganz persönlicher“, sagte Joseph Ratzinger in dem eingangs erwähnten Buch „Salz der Erde“. Ganz direkt und persönlich wurden im Evangelium die Jünger und damit werden auch wir heute gefragt: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Was antworten wir auf diese Frage? Vielleicht haben wir schnell eine Antwort bei der Hand, eine Antwort, die wir einmal im Religionsunterricht gelernt oder irgendwann in der Kirche gehört haben: Jesus ist der Sohn Gottes, der Messias, der Retter, der Heiland der Welt. Aber wer ist Jesus für mich ganz persönlich? 

Natürlich stimmt auch da die Antwort: der Sohn Gottes, der Messias. Aber vielleicht auch: ein Freund, jemand der mich begleitet, dessen Wort mich schon in mancher Situation gehalten hat, oder jemand, der mich herausfordert, der mich aus meiner Bequemlichkeit herauslockt, ein Vorbild, das mich unruhig macht. Wer ist Jesus Christus für mich, welche Rolle spielt er in meinem Leben?  Vielleicht tun wir uns doch eher schwer mit einer so persönlichen Frage.

Auf diese entscheidend wichtige Frage gab der Frankfurter Pfarrer und Schriftsteller Lothar Zenetti vor gut 40 Jahren in seinem Buch „Texte der Zuversicht“ folgende Antwort:

Was Jesus für mich ist? – Einer, der für mich ist.
Was ich von Jesus halte? – Dass er mich hält.

Möge dieser Gedanke uns allen in Zeiten der Veränderungen, in den Umbrüchen, die wir erleben, Mut und Kraft schenken, unserer christlichen Überzeugung ein Gesicht zu geben. Und mögen Petrus und Paulus uns dabei gute Vorbilder sein. Beide waren leidenschaftliche Bekenner, die die Kirche geprägt und geformt haben. Und beide hätten unterschiedlicher nicht sein können. Die Kirche lebt aus dieser Verschiedenheit und aus der Vielfalt! Jesus selbst hat es so gewollt.

Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de

Text zur Besinnung

Christus hat keine Hände,
nur unsere Hände
um seine Arbeit heute zu tun.

Er hat keine Füße,
nur unsere Füße,
um Menschen auf seinen Weg zu führen.

Christus hat keine Lippen,
nur unsere Lippen,
Menschen von ihm zu erzählen.

Deshalb gilt sein Auftrag uns allen:
Geht hinaus in alle Welt
und verkündet in Wort und Tat die Frohe Botschaft.

(Gebet aus dem 14. Jahrhundert)