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Gedanken zum Evangelium - 4. Sonntag der Osterzeit

Glaube ist kein Gras im Wind

Trägt Gott in schweren Zeiten? Im Evangelium verspricht Jesus, dass seine Jünger „niemals zugrunde gehen“. Und in der Lesung erzählt Johannes von denen, die in großer Bedrängnis waren und jetzt jubeln. Stimmt das? Beispiele aus dem Leben.

Evangelium

In jener Zeit sprach Jesus:

Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen. Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen.

Ich und der Vater sind eins.

Johannesevangelium 10,27–30

Wenn bei mir alles läuft, läuft auch der Glaube neben mir her – wie ein Hund beim Gassigehen. Wenn es im Leben hingegen nicht läuft, dann ist mein Glaube gefordert; die wirkliche Glaubensprüfung geschieht durch Schicksale: Stimmt es, dass ich nicht zugrunde gehe? Stimmt es, dass nach der Bedrängnis der Jubel folgt? Ja, ich glaube das und will von zwei Beispielen erzählen.

Das erste handelt von einem gläubigen jungen Mann, den ich kennengelernt habe – nennen wir ihn Justin. Er ist Student, Mitte 20 und erhält aus buchstäblich heiterem Himmel eine Krebsdiagnose. Er nimmt diese Nachricht tapfer auf, geht alle notwendigen medizinischen Schritte, leidet, hat Schmerzen, zieht die Therapie aber durch. Er will leben.

Alles geht gut. Wenige Monate nach der Krebsdiagnose wird Justin aus der Reha entlassen und freut sich auf sein neues, altes, glückliches Leben. Er ist euphorisch, aufgekratzt. Sein Bruder wird ihn mit dem  Auto aus der Rehaklinik abholen, in wenigen Minuten muss er da sein. Und dann steht plötzlich die Krankenschwester vor ihm. Sie möchte ihn aber nicht verabschieden, sondern hat eine schreckliche Nachricht zu überbringen: Justins großer Bruder sei auf der Autobahn, auf dem Weg zu ihm, tödlich verunglückt.

Diese Nachricht überfordert Justin. Er fragt sich, wie Gott so etwas zulassen kann: so viel Leid in einer kurzen Zeit, in einer einzigen Familie. Für ihn folgen Monate des Haderns, des Zweifelns, der Glaubenskrise. Er spricht mit vielen Menschen. Er versucht, Gedanken und Gefühle einzuordnen, und nach einer Weile wird ihm klar, dass sein Glaube nicht an diesen persönlichen Realitäten zerbrechen wird, sondern durch die Schicksalsschläge sogar stärker geworden ist. Justin kann Gottes Handeln nicht verstehen, aber er vertraut auf den richtigen Plan Gottes für unser Leben.

Das zweite Beispiel ist ganz anders. Es handelt von mir selbst. Ich arbeite seit zwei Jahren als Betreuer für Geflüchtete in einer Asylunterkunft. In den Geflüchteten sehe ich die Bedrängten, von denen in der Lesung gesprochen wird: Sie waren in ihrem Heimatland in Bedrängnis, waren es auf der Flucht und sind es hier immer noch. Der Job fordert mich heraus. Nachfolge im Sinne der Liebe des heiligen Franziskus zu den Ausgegrenzten heißt für mich, liebenswürdig zu sein und zugewandt. Wenn möglich, entlang des Leitfadens: Wie würde Christus, wie würde Franziskus mit Geflüchteten umgehen? Der Dienst, bei den Bedrängten zu handeln, ist der Auftrag, der aus meinem Glauben folgt.

Ich kann Gott nicht immer verstehen

Die Schicksale der Geflüchteten sind für uns eigentlich nicht neu. Sie erinnern mich an die Schilderungen meiner Eltern und Großeltern: wie sie im und nach dem Zweiten Weltkrieg nichts besaßen, außer der Gewöhnung an Tod und andere schreckliche Erfahrungen. Dieses Leid scheint heute meist vergessen zu sein – wir besinnen uns nicht auf den Wohlstand, den wir heute teilen könnten, sondern machen die Neuankömmlinge zur Zielscheibe unseres Neides.

Was folgt auf das Leid? Stimmt es, dass nach der Bedrängnis tatsächlich der Jubel folgt? Ich selbst war lange Jahre meines Lebens ohne Gott glücklich, so dachte ich. Glaube hatte für mich keine Bedeutung. Dann habe ich Gott vor etwa zehn Jahren wiederentdeckt und bin nun seit sechs Jahren Kapuziner. Als ich im vergangenen Herbst in der sogenannten Ewigen Profess versprochen habe, mein Leben für immer ganz eng an Gottes Seite zu führen, musste ich auch an Justin denken: Ich kann Gott nicht immer verstehen, ich kann das Leid in der Welt nur sehr schwer mit einem allmächtigen, gütigen und liebenden Gott in Einklang bringen. Und doch bin ich fest davon überzeugt, dass Gott immer nur das Beste für jeden Einzelnen von uns will. Wenn ich auch heute vieles nicht verstehe, so werde ich die Antwort nach meinem Tod erhalten. Ich darf auf seine Erklärung hoffen.

Nach Schicksalsschlägen, in schlimmster Bedrängnis, kann ich vom Glauben abfallen, oder aber er verfestigt sich. Die Erfahrungen von Klage und Schmerz in der gefühlten Talsohle sind oft notwendig, um sich neu aufzurichten. In der Krise kann ich Gott besonders gut hören. Weil ich ihm in diesem Moment genauer zuhören will.

Weil ich das glaube, gehe ich mit mir und den Mitmenschen gelassen durchs Leben. Tiefer Glaube ist kein Grashalm, der von einem lauen Lüftchen umgeworfen wird. Gott ist nicht blöd, nur weil er nicht immer das tut, was ich von ihm erwarte. Und er ist immer noch anwesend, auch wenn immer mehr Menschen ihn aus ihrem Leben verbannen und ignorieren. 

Glaube heißt für mich: dankbar zu sein. Und zuversichtlich. Das Vergangene und das Zukünftige möglichst positiv zu bewerten. So wie Justin es getan hat. Denn ich halte die Vorstellung der Nächstenliebe, den Aufruf, zu allen Menschen gut zu sein, auch für meine Feinde nur das Beste zu wollen, für die größte Errungenschaft, die die Menschheit je hervorgebracht hat. Das muss weitergesagt werden.

Michael Maldacker