Würzburg (POW) Der Tod – er ist das immer wiederkehrende und zentrale Thema im Schaffen von Willi Röscheisen. „Seine Werke haben eine religiöse Ausrichtung, ohne dass er zu den Kirchenkünstlern gerechnet wird“, sagte Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen, Bau- und Kunstreferent des Bistums Würzburg, am Donnerstag, 2. Februar, bei der Presseführung durch die Sonderausstellung „Röscheisen – der Tod als Allegorem“, die am Donnerstagabend eröffnet wurde. Der Betrachter werde durch die Bildersprache des Künstlers, der 2006 seinen 100. Geburtstag feiern könnte, zur Auseinandersetzung mit sich selbst und den von Röscheisen vorgegebenen Thema gezwungen.
Als künstlerischen Anachoreten, als Menschen, der die Kollektivschuld der Menschheit in seinem Schaffen aufarbeiten wollte, stellte Professor Dr. Friedrich Piel, Neffe Röscheisens und Besitzer aller in der Ausstellung gezeigten 61 Werke, seinen Onkel vor. Piel, emeritierter Kunsthistoriker an der Universität Salzburg, hat große Teile des künstlerischen Wirkens Röscheisens hautnah miterlebt. „Ich war für ihn wie ein Sohn.“ Die ausgestellten Werke stammen praktisch alle aus der Zeit nach dem 14. März 1945, als Röscheisens Haus in Dortmund und mit ihm das Frühwerk des Künstlers zerstört wurde.
Gleichsam „auf der Suche nach dem verlorenen Bild“ seien zwischen 1947 und seinem Tod 1972 in einer Art Einsiedlerdasein die ausgestellten Gemälde entstanden. „Er hat stets versucht, die Kraft der Materialien mit ikonographischen Aspekten zu versehen“, betonte Piel. Der Clown, Golgotha und Kreuzigung – diese Motive kommen immer wieder. „Auch der Tod ist bei ihm nichts Finales. Er ist nur das Nadelöhr, durch das der Mensch gehen muss, um zu etwas Größerem zu gelangen. Deswegen sei auf dem Bild „Vanitas“ auch eine Fledermaus abgebildet: Symboltier für die Verbindung von Tag und Nacht.
So manche Anekdote aus dem Röscheisen’schen Atelier gab Piel zum Besten. So sei aus einem Unglück eine von Röscheisens originellen Gestaltungstechniken entstanden: Weil er aus den billigen Nachkriegsmaterialien seine eigenen Ölfarben herstellte, war ihm ein Ölgemälde zu fett geraten. Er legte ein Stück Papier darauf, um das Bild zu entfetten. „Der Abdruck gefiel ihm dann besser als das Bild selbst. So entstanden die Monotypien. Oder wie er es nannte: Öl auf Papier.“ Mit einem alten Geigenbogen, an dessen Ende ein Tuschepinsel befestigt war, habe Röscheisen dann das notwendige „Finish“ besorgt.
Die Monotypien seien wie auch die Gemälde Röscheisens immer konkret gewesen. Obwohl er alle malerischen Techniken mindestens genauso gut wie die Vertreter der abstrakten Kunst beherrscht habe, sei er in der Nachkriegszeit dennoch nicht besonders beachtet worden. „Es ist bedauerlich, dass nach dem Zweiten Weltkrieg jahrelang das Abstrakte politisch bevorzugt wurde“, erklärte Lenssen. Die originäre Deutung von Opfer, Tod und Begegnung, die Röscheisen in seinem Werk biete, verdiene Aufmerksamkeit. Das Museum am Dom wolle mit der Sonderausstellung ihren Beitrag dazu leisten, diesen herausragenden Künstler zu würdigen.
Auch heute gilt, was 1949 das Blatt „Neuer Westfälischer Kurier“ über eine Röscheisen-Ausstellung schrieb: „Röscheisens Visionen entspringen, das wird dem aufmerksamen Betrachter zur Gewissheit, einer inneren Schau und ernster Ergriffenheit; sie werden ausgedrückt mit einer ursprünglichen Kraft, der sich viele Ausstellungsbesucher erst widerstrebend, dann aber umso aufnahmewilliger bewusst werden dürften.“
(0606/0214, E-Mail voraus)
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